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Hightech-Oberflächen: Glatter als glatt?

July 23, 2003 by  

Superglatt oder auch funktional: Bei der Gestaltung von Oberflächen entwickeln Leibniz-Wissenschaftler immer ausgefeiltere Präzisionsverfahren.

Leipzig/Dresden. Neuartige Technologien machen es möglich: Oberflächen können inzwischen auf atomarer Ebene geglättet oder mit hauchdünnen Schichten versehen werden, die dem Ausgangsmaterial neue Eigenschaften verleihen. Dafür begeben sich Wissenschaftler auf die Ebene der Atome und Moleküle, wo in Nanometern gemessen wird. Die superglatten oder mit winzigsten Teilchen beschichteten Materialien sind in der Industrie heiß begehrt. In zwei Instituten der Leibniz-Gemeinschaft werden die aufwändigen Verfahren für die Oberflächenbearbeitung ständig verfeinert.


Glatte Oberflächen sind gefragter denn je: Von der Mikroelektronik über die High-Tech-Optik und die Telekommunikation bis hin zur hochpräzisen Metallbearbeitung – Bernd Rauschenbach, Direktor des Leibniz-Instituts für Oberflächenmodifizierung (IOM) in Leipzig, berichtet: “Der Bedarf an nahezu perfekten Oberflächen ist in den letzten Jahren rasant gestiegen.” Am IOM entwickeln Wissenschaftler daher unter anderem Ultrapräzisionsmethoden mit dem Ziel, eine mittlere “Rauhigkeit” im Subnanometer-Bereich auf Flächen von mehr als zehn Zentimetern (cm) Durchmesser zu erzielen. “Ich spreche von Rauhigkeiten im atomaren Bereich. Die Unebenheiten, die wir glätten und polieren, sind also kleiner als ein Nanometer”, erklärt Rauschenbach. Zur Veranschaulichung: Ein Meter verhält sich zu einem Nanometer (nm) ungefähr so wie der Durchmesser der Erde zu dem einer Haselnuss.

Bei solchen Präzisionsansprüchen stoßen die Möglichkeiten der konventionellen Verfahren wie mechanisches und chemisches Polieren an ihre natürliche Grenze. Am IOM wurde eine Technologie entwickelt, die ein Glätten und Formen von Oberflächen bis in den atomaren Bereich hinein erlaubt: Bei der Ionenstrahl-Ultrapräzisionsbearbeitung werden Oberflächen mit energiegeladenen Ionen “beschossen” – und zwar so präzise, dass alle atomaren Unebenheiten beseitigt werden. Voraussetzung für die Realisierung der neuen Technologie ist die Entwicklung von Ionenquellen unterschiedlicher physikalischer Wirkprinzipien. Diese liefert die aus dem IOM heraus gegründete Firma “Innovative Oberflächentechnologie GmbH Leipzig” (IOT GmbH). Die Anlagen zur Ionenstrahl-Ultrapräzisionsbearbeitung wiederum werden von der Nanotechnologie GmbH Leipzig (NTGL) hergestellt und vertrieben. Die Grundlagenforschung des Instituts wurde also schon mit Erfolg in die Anwendung und Vermarktung übergeführt.

Neue synthetische Schichten – flexibel und wandlungsfähig wie die menschliche Haut

Am Dresdner Institut für Polymerforschung (IPF) gestaltet sich Oberflächengestaltung ganz anders. Dort beschäftigen sich Wissenschaftler damit, die obersten Schichten unterschiedlicher Materialien mit speziellen Funktionen zu versehen. Geforscht wird nach neuen Methoden der “Oberflächenfunktionalisierung”. Dabei lassen sich die Wissenschaftler häufig von der Natur inspirieren. So zum Beispiel von der menschlichen Haut: Sie dient als Vorbild für die Entwicklung funktionaler Schichten. “Jeder weiß, wie widerstandsfähig und empfindlich, hart und spröde, glatt oder faltig, fettig oder trocken die menschliche Haut sein kann”, erklärt IPF-Mitarbeiter Sergej Minko. “Sie reagiert sehr empfindlich auf Temperaturen, Feuchtigkeit oder unterschiedliche pH-Werte und sie kann in sehr unterschiedlicher Weise Wasser und Fett aufnehmen.” Die Haut erfüllt damit wichtige Funktionen: So schützt sie den Körper unter anderem vor Austrocknung, Überhitzung und dem Eindringen unerwünschter Keime.

Eine von vielen Herausforderungen für die Oberflächenforscher ist es, eine synthetische Oberfläche zu schaffen, die über die nützlichen Eigenschaften der Haut verfügt. “Einen funktionsfähigen Ersatz für die Haut zu entwickeln, ist allerdings äußerst schwierig,” gibt Sergej Minko zu bedenken. Möglich ist es hingegen, bestimmte Hautfunktionen gezielt zu kopieren und für neue Hightech-Materialien nutzbar zu machen. So zum Beispiel beim Forschungsthema “Schaltbare gemischte Polymerbürsten”. Manfred Stamm, Leiter dieses Forschungsbereichs am IPF, erklärt: “Wir entwickeln schaltbare gemischte Polymerbürsten bestehend aus verschiedenen Polymeren, also Kunststoffschichten, die auf eine Oberfläche aufgepfropft sind. Diese Bürsten reagieren auf bestimmte Lösungsmittel wie Wasser, verschiedene pH-Werte oder Temperaturen. So lassen sich Oberflächeneigenschaften regelrecht “schalten” – die Polymerbürstenschichten passen sich in Struktur und Eigenschaften an die konkrete Umgebung an und können wechselweise hydrophob oder hydrophil reagieren, das heißt: Sie können Wasser abweisen oder anziehen.” Diese Anpassungsfähigkeit und den Mechanismus der Schaltbarkeit hat die Forschungsgruppe des IPF gemeinsam mit dem Physiker Markus Müller vom Institut für Physik an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz modelliert und experimentell untersucht. Interessant sind die Polymerbürstenschichten des IPF insbesondere für die Medizintechnik – so kommen sie beispielsweise in Textilien zur Wundabdeckung zum Einsatz.

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