Flexible chemische Abwehr bei Blattkäfern
September 27, 2004 by admin
Viele Insekten nutzen Gifte oder Giftvorstufen von Nahrungspflanzen für ihre eigene Abwehr gegen Fraßfeinde. So selektieren Larven von Blattkäfern aus ihrer Nahrung an Zucker (glykosidisch) gebundene Vorstufen, die sie dann in speziellen Wehrdrüsen zu toxischen Verbindungen (Salicylaldehyd, Iridoide) umwandeln. Bei Gefahr lässt das Insekt aus seinen paarigen Dorsaldrüsen das giftige Sekret hervortreten und schreckt Angreifer damit ab. Ist die Gefahr vorüber, werden die kostbaren “Tropfen” wieder in das Reservoir der Wehrdrüse zurückgezogen. Doch auf welche Weise nehmen Insekten die pflanzlichen Stoffwechselprodukte selektiv auf? Durch systematische Analyse dieses Importprozesses bei Blattkäferlarven haben Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie in Jena und der Freien Universität Brüssel jetzt erstmals nachgewiesen, dass Blattkäfer über verschiedene, auf die jeweilige Pflanze optimierte Transportsysteme verfügen, die sich bei einem Wirtswechsel schnell anpassen können (PNAS, 21. September 2004).Abb.: Phylogenie und Wehrchemie von Blattkäferlarven. Links: Glucoside aus der Nahrungspflanze. Rechts: Hauptkomponenten der Wehrsekrete, Salicylaldehyd und das Monoterpen Chrysomelidial. Die Substanzen müssen mindestens zwei Membranbarrieren passieren, nämlich vom Darm zur Hämolymphe und von dieser in die Wehrdrüse des Käfers.
Dazu hatten die Forscher Blattkäferarten untersucht, die ihre Toxine entweder überwiegend selbst produzieren (Monoterpene, Iridoide) oder diese obligat aus pflanzlichen Vorstufen gewinnen (s. Abbildung 2). Die de novo-Biosynthese der Iridoide in Hydrothassa marginella und Phratora laticollis erfordert als frühe Vorstufe ein Glucosid des 8-Hydroxygeraniols, während der Salicylaldehyd der obligaten Sequestrierer Chrysomela populi (lebt auf Pappel) und Phratora vitellinae (Weide) aus dem Salicin ihrer Nahrungspflanzen gebildet wird.
Bietet man nun Larven dieser Vertreter Blätter zum Fraß an, die zuvor mit hydrolysestabilen S-Analoga der natürlichen Vorstufen imprägniert wurden, lässt sich ein schneller und effektiver Transport dieser Verbindungen vom Darm in die Hämolymphe (Leibeshöhlenflüssigkeit) und von dort in das Abwehrsekret nachweisen. Entscheidend für den Erfolg der Untersuchung war die Verwendung von Thioglucosiden, da diese weder im Darm noch in der Wehrdrüse durch dort vorhandene Glucosidasen gespalten werden können. Folglich mussten die polaren S-Glucoside als intakte Moleküle die Darmmembran und die Membran der Wehrdrüse passiert haben. Dabei können die Iridoidproduzenten nur das S-Glucosid ihrer terpenoiden Vorstufe aufnehmen, während die Sequestrierer ausschließlich das S-Analogon des Salicins importieren.
Weitere Informationen erhalten Sie von:
Prof. Wilhelm Boland
Max-Planck-Institut für chemische Ökologie, Jena
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