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Chemoinformatik sucht die Nadel im Heuhaufen

October 14, 2004 by  

Neue Entwicklungen in der Chemoinformatik stellt der 18. Workshop der Fachgruppe Chemie – Information – Computer (CIC) der Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh) vom 14. bis 16. November in Boppard vor. Hauptthemen sind die pharmazeutische Chemoinformatik, die automatische Strukturaufklärung, neue Softwareprojekte, neue Ansätze in der theoretischen Chemie und in der Molekül-Modellierung sowie Anwendungen auf den biologisch-medizinischen Bereich.

Unter Chemoinformatik versteht man die Anwendung von Methoden der Informatik zur Lösung chemischer Probleme. Insbesondere machen es in der chemischen Forschung die anfallenden großen Datenmengen notwendig, neue Wege zu begehen.
Um die 23 Millionen in der Chemical Abstracts Datenbank gespeicherten Substanzen zu katalogisieren und zu indizieren sowie Stukturen- und Substrukturen in solchen Datenmengen zu suchen, mussten neue Algorithmen (Problemlösungsvorschriften) gefunden werden. Auch die kombinatorische Chemie, die in den 1990’er Jahren aufkam, wurde überhaupt erst durch den Einsatz ausgefeilter chemoinformatischer Verfahren möglich. Es sind gerade diese Verfahren zum Speichern und Durchsuchen von großen Datenmengen, die die Einführung des neuen Begriffes “Chemoinformatik” rechtfertigen. Allerdings hat der Einsatz von Computern in der Chemie schon eine lange Tradition


 



Generell ist die Computerchemie heute mit ihren Berechnungsmethoden zu einem geschätzten Werkzeug geworden, um die vielfältigen
Eigenschaften und biologischen Wirkweisen ursächlich zu verstehen und für ähnliche Systeme vorherzusagen. Über die schnellen Datenwege im Internet gibt es gute Möglichkeiten der Zusammenarbeit und des Zugriffs auf gemeinsame Daten. Eine besondere Bedeutung haben computergestützte Methoden im Bereich der Wirkstoffentwicklung erfahren. Mit Hilfe von regel- und wissensbasierten Ansätzen werden heute routinemäßig physikochemische Eigenschaften für große Strukturdatenbanken berechnet. Darüber hinaus können aus der 2D-Struktur zahlreiche energetisch günstige 3D-Strukturen abgeleitet werden. Die so aufbereiteten Strukturen können anschließend einem virtuellen Screening unterzogen werden. Dabei werden die Bindungsaffinitäten zum aktiven Zentrum eines Proteins ermittelt und bewertet. Auf diese Weise lassen sich in großen Strukturdatenbanken sehr schnell potentielle Wirkstoffstrukturen finden, was von Hand im Labor in Anbetracht der enormen Substanzzahlen nicht möglich wäre. Ziel dieser Suche sind sogenannte Pharmakophore. Ein Pharmakophor stellt die spezifische räumliche Anordnung von chemischen Eigenschaften dar, die offensichtlich für die biologische Aktivität verantwortlich sind. Mit Hilfe dieses Suchmusters kann in speziellen 3D-Datenbanken nach neuen Wirkstoffstrukturen mit gleichem Eigenschaftsmuster geforscht werden.

Wie in der Wirkstoffentwicklung, so spielt die Chemoinformatik auch bei anderen Problemstellungen in der Chemie eine wichtige Rolle. Hier kommen Verfahren des maschinellen Lernens mit neuronalen Netzen (sie haben die Arbeitsweise des Gehirns zum Vorbild) oder Supportvektor-Maschinen (sie klassifizieren Daten), etwa zur Vorhersage von spektralen Eigenschaften, zum Einsatz. Aber auch Methoden zum effiziente Durchsuchen extrem großer Strukturmengen nach der berühmten Nadel im Heuhaufen, der einen richtigen Struktur mit den gewünschten Eigenschaften, sind Gegenstand aktueller Untersuchungen.

Im Rahmen des diesjährigen CIC-Workshops werden neben den traditionellen Hauptthemen auch interessante Anwendungen aus neuen Bereichen behandelt. So hilft die Chemoinformatik zum Beispiel bei der Bestimmung von Struktur und Eigenschaften von Nanoteilchen, die typischerweise aus einigen 10 bis einigen 10.000 Atomen bestehen. Charakteristisch für Nanoteilchen ist, dass man durch Variation ihrer Größe auch ihre Eigenschaften – zum Teil kontrolliert – variieren kann, obwohl die Zusammenhänge zwischen der Größe, Zusammensetzung und Struktur einerseits und den Eigenschaften, beispielsweise den elektronischen Eigenschaften, andererseits nur teilweise verstanden sind. Computergestützte theoretische Studien leisten einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der Zusammenhänge.

Auch der Grenzbereich zwischen Chemo- und Bioinformatik kommt nicht zu kurz: Vorträge zu Computersimulationen an Nukleinsäure-Tetraplexen, einer Zielstruktur für Antitumorwirkstoffe, sowie aus dem Bereich der Simulation und Analyse von Stoffwechselvorgängen in Organismen runden das Themenangebot ab.

Die GDCh-Fachgruppe CIC verleiht auf ihrem Workshop erneut den FIZ-CHEMIE-Berlin-Preis für eine hervorragende Dissertation. 2004 erhält ihn Dr. Edgar Luttmann von der Universität Paderborn. Weswegen er ausgezeichnet wird, verrät sein Vortragsthema: “Molecular-Modelling liefert neue Erkenntnisse über die Alzheimer´sche Krankheit.” Mit der Molekül-Modellierung gelingt es, Molekülstrukturen – auch der “biologischer” Moleküle – zu berechnen sowie auf dem Bildschirm realistisch dreidimensional darstellen und bearbeiten zu können. In diesem Fall geht es um Galanthamin als multifunktionale Leitstruktur, die zum Verständnis und zur Therapie der Alzheimer´schen Krankheit beiträgt.


Die Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh) gehört mit rund 27000 Mitgliedern zu den größten chemiewissenschaftlichen Gesellschaften weltweit. Sie hat 24 Fachgruppen, darunter die Fachgruppe Chemie-Information-Computer mit rund 550 Mitgliedern. Die Fachgruppe wurde 1982 gegründet, weil auch in der Chemie die computergestützte Verwaltung, Archivierung, Analyse, Abfrage und Generierung von Information immer wichtiger wurde. Die Fachgruppe sieht ihre Hauptaufgabe in der Zusammenfassung aller an der Information und Dokumentation sowie in Computeranwendungen in der Chemie interessierten in- und auch ausländischen Wissenschaftler zum Zwecke der Förderung dieses Wissensgebietes durch Pflege des Gedanken- und Erfahrungsaustausches und Vermittlung fachlicher Anregungen.

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