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Chemieverordnung abgeschwaecht

September 22, 2005 by  













Chemieverordnung. Großbritannien entschärft die neuen Prüfkriterien und kommt der Wirtschaft entgegen. Österreichische Regierung begrüßt den Kompromissvorschlag mit Vorbehalten.















BRÜSSEL. Eines der ehrgeizigsten Ziele der EU-Umweltpolitik, der umfassende Schutz von Mensch und Natur vor gefährlichen Chemikalien, rückt in greifbare Nähe – allerdings mit deutlichen Einschränkungen. Die Chancen für eine Einigung auf die umstrittene Chemikalien-Verordnung “Reach” (Registrierung, Evaluierung, Autorisierung von Chemikalien) sind nach einem Kompromissvorschlag der britischen EU-Ratspräsidentschaft deutlich gestiegen.


Großbritannien habe ein “sehr geschicktes” Papier vorgelegt, heißt es in Ratskreisen. Der Vorschlag sei im Vergleich zu den ursprünglichen Forderungen der EU-Kommission “deutlich entschärft”. Vor allem Unternehmen, die jährlich Stoffmengen von ein bis zehn Tonnen produzieren oder importieren, würden demnach deutlich entlastet.


Von den rund 30.000 von der Verordnung betroffenen Substanzen werden rund zwei Drittel in dieser Mengenklasse produziert. Für diese Stoffe müssen laut Vorschlag nur dann vollständige Informationen übermittelt werden, wenn die Substanzen “potenziell gefährlich” oder krebserregend sind. Weiters soll eine Voruntersuchung klären, ob die Stoffe in der einschlägigen Literatur “schlecht dokumentiert”, in Konsumartikeln enthalten oder “offen eingebracht” sind, also etwa in Kläranlagen verwendet werden. In jenen Fällen müsste ein vollständiger Datensatz erstellt werden. Nach Einschätzung in österreichischen Regierungskreisen würde dies nur rund 20 Prozent der Stoffmengen zwischen ein und zehn Tonnen betreffen.












 



Die geplante Verordnung war bisher von der Chemieindustrie heftig bekämpft worden. Erstmals sollten Unternehmen verpflichtet werden, Substanzen, die vor 1981 auf den Markt kamen, registrieren und prüfen zu lassen und die Kosten dafür selbst tragen.


Der britische Vorschlag sieht eine verpflichtende Zusammenarbeit zwischen Unternehmen bei der Registrierung identischer Stoffe vor. Nach dem Motto “one substance, one registration” (Osor; “eine Substanz, eine Registrierung”) sollen so Kosten geteilt und Tierversuche reduziert werden. Weitere Grundprinzipien des britischen Kompromisses sind Ausnahmen für Müll, recycelte Stoffe, Eisen, Mineralien und Erze. Kommerzielle Interessen sollen streng geschützt werden: Zwar müssten die Substanzen im Internet veröffentlicht werden, die genaue Zusammensetzung von Stoffen wird aber vertraulich behandelt. Unklar bleibt noch, wie man mit importierten Chemikalien umgehen soll, ohne in Konflikt mit dem Freihandel zu kommen.


Das britische Papier gehe “in die richtige Richtung”, sagte der Sprecher von Umweltminister Josef Pröll zur “Presse”. Prölls Ministerium ist in Abstimmung mit dem Wirtschaftsministerium federführend bei den Verhandlungen über Reach auf EU-Ebene. Bei technischen Fragen gebe es allerdings noch Diskussionsbedarf, heißt es.


Dies betrifft dem Vernehmen nach vor allem die von den Briten vorgeschlagenen Vortests für kleine Stoffmengen sowie die Frage, ob Unternehmen zur Kostenteilung verpflichtet sind oder die Zusammenarbeit eine freiwillige Option darstellt. Einige Formulierungen seien “zu vage”, wird in Regierungskreisen kritisiert. Das Gesamtsystem dürfe nicht “ausgehöhlt” werden. Daher wird Österreich voraussichtlich gemeinsam mit Deutschland, den Niederlanden und den skandinavischen EU-Mitgliedstaaten einen Prüfungsvorbehalt anmelden, heißt es in Wien.


Verhalten positiv wird der britische Vorschlag im österreichischen Fachverband für chemische Industrie beurteilt. Der Kompromiss sei “für eine praktikable Anwendung aber noch nicht ausreichend”, so Christian Gründling zur “Presse”. Der Fachverband sieht noch “Kernprobleme”, vor allem bei der Abgrenzung zu bestehenden Richtlinien (etwa für Arzneien) und bei der Orientierung nach der Menge und nicht nach dem Risiko

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