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AGGRESSIVER SAUERSTOFF

June 27, 2002 by  

Satelliten, orbitale Teleskope und die Internationale Raumstation sind einer bisher unterschätzten Gefahr ausgesetzt: Ihr Teflon-Schutzschild wird von extrem aggressiven Sauerstoffatomen zerstört.
Allen Raumfahrzeugen, die in den oberen Atmosphärenschichten zwischen 180 und 650 Kilometer Höhe den Planeten umkreisen, droht die langsame Zersetzung: An ihrer Hülle nagt atomarer Sauerstoff, warnen Wissenschaftler der City University of New York. Gefährdet sind unter anderem das Hubble-Teleskop, die 400 Kilometer über der Erde schwebende Internationale Raumstation (ISS) und die Shuttle-Flotte der US-Raumfahrtbehörde Nasa.


Fehlende Farbe an der Außenhaut des Space Shuttle machte uns zuerst auf das Problem aufmerksam”, sagte Lou Massa, Professor für Physik und Chemie an der City University of New York, im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE. “An manchen Stellen war überhaupt keine Lackierung mehr vorhanden, an anderen Stellen war sie stark angegriffen.”

Das Forscherteam, das seine Erkenntnisse im Fachmagazin “Journal of Physical Chemistry A” veröffentlicht hat, glaubt die Schuldigen gefunden zu haben: Freie Sauerstoff-Radikale. Sie entstehen, wenn die ultraviolette Strahlung der Sonne den normalerweise als Atompaar vorkommenden Sauerstoff aufbricht. Übrig bleiben einzelne, äußerst reaktionsfreudige Sauerstoffatome.

Die Freien Radikale greifen unter anderem Teflon an, was sie für Raumfahrzeuge brandgefährlich macht. Denn aus diesem Material besteht die Schutzschicht, die Satelliten, Shuttles und auch die ISS vor der Strahlung des Weltalls schützen soll. Das Teflon ist meist nur mit einer reflektierenden Schicht aus Silber oder Aluminium versehen.

Nachdem sie die Reaktion am Computer simuliert haben, glauben Massa und seine Kollegen, dass der atomare Sauerstoff in der oberen Atmosphäre tatsächlich genügend Energie besitzt, um die Kohlenstoffverbindungen der kettenartigen Teflon-Moleküle zu zerstören. “Eine überraschende Entdeckung”, räumt der Chemiker ein. Dass Sauerstoff-Radikale allein für einen solchen Effekt verantwortlich sein könnten, habe auf Grund bisheriger Experimente als unwahrscheinlich gegolten.

“Mit der Zeit zeigen sich kleine Risse in der Teflonschicht”, beschreibt Massa die Auswirkungen der Sauerstoff-Attacke. Bei kleineren Lackschäden am Space Shuttle sei es nicht geblieben, denn Teflon diene nicht nur als Basis für Satelliten-Schutzschilde, sondern auch für die Beschichtung von Antennenschüsseln. “Wir hatten dadurch bereits Ausfälle in der Kommunikation”, sagt Massa. “Viele Satelliten sind bereits 40 Jahre im Orbit. Bei ihnen macht sich der langsame Korrosion des Teflons besonders stark bemerkbar.”

Gefährdet sei neben Kommunikation und Schutzschild auch die Energieversorgung der künstlichen Erdtrabanten. “Ihre Solarzellen sind mit Polymeren wie Teflon befestigt”, erklärt Massa. Werde das Teflon zerstört, so seine Befürchtung, könnten die Solarzellen am Ende einfach davonschweben
.
Auch in der Hülle des Hubble-Teleskops seien bereits Risse entdeckt worden, betont Massas Kollege Bruce Banks, Leiter der Abteilung für Elektrophysik am Glenn Research Center der Nasa in Cleveland, Ohio. Mit diesem Effekt sei nicht zu spaßen: “Wenn die Wärme-Isolierung unter der Teflonschicht austritt, kann sie in die Optik des Teleskops geraten”, so der Forscher. Die Risse in Hubbles Haut hätten bereits mehrfach repariert werden müssen.

Die Wissenschaftler sehen immense Kosten auf Weltraumbehörden und private Satellitenbetreiber zukommen. “Das Teflon muss über kurz oder lang ersetzt werden”, meint Massa. Womit, stehe allerdings noch in den Sternen. Denkbar seien etwa neuartige Polymere mit robusteren chemischen Verbindungen. “Leider sind das alles derzeit nur abstrakte Möglichkeiten”, gesteht Massa ein. “Wenn wir aber den Prozess der Zerstörung besser begreifen, könnten wir auch widerstandsfähigere Materialien finden.” Bericht aus Spiegel Online www.spiegel.de Von Martina Sadler

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