Ölhungrige Mikroben kennen keine Grenzen,
December 5, 2002 by admin
Trotz Intifada: Ein deutsch-israelisch-palästinensisches Forschungsprojekt
überlebt. Schon lange hat Prof. Jamal Safi, Leiter des Instituts für Umweltschutz
und Umweltforschung EPRI in Gaza, seine Kollegen aus Israel und Deutschland
nicht mehr in seiner Heimat empfangen können. Checkpoints und schwer bewaffnete
Milizen signalisieren: Hier soll nichts und niemand durch. Nicht aus Israel
nach Gaza und erst recht nicht umgekehrt
Dabei wurden schon die letzten zwei Projektbesprechungen nach Oldenburg verlegt.
Außerdem wartet er wieder einmal seit Wochen auf Nachschub an Geräten und Chemikalien
– auch Proben aus den Bakterienmatten müssten wieder nach Deutschland geschickt
werden. Seit Beginn der Intifada im Jahr 2000 ist die Verwirklichung der schon
zu Anfang des trilateralen Forschungsvorhabens zwischen Israel, Palästina und
Deutschland fast provokativ anmutenden Idee, durch wissenschaftliche Zusammenarbeit
eine Brücke zwischen entzweiten Völkern zu schlagen, immens erschwert worden.
1998 hatte die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) grünes Licht für die Unterstützung
des Projekts “Reinigung von verschmutztem Meerwasser durch Cyanobakterienmatten”
mit 0,8 Millionen Euro gegeben, das im Juni 2003 zu Ende geht. Die beteiligten
Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie in Bremen,
der TU München, der Hebräischen Universität Jerusalem und des Institutes für
Umweltforschung und Umweltschutz in Gaza handeln unter Federführung von Prof.
Dr. Jürgen Rullkötter, Institut für Chemie und Biologie des Meeres (ICBM) der
Universität Oldenburg, als Friedensmakler im Nahen Osten. Sie möchten einen
Raum für Dialog, Wissenstransfer, den Austausch von WissenschaftlerInnen und
die Verbesserung wissenschaftlicher Infrastruktur in den palästinensischen Autonomiegebieten
schaffen. Nicht weniger bedeutend als der politische Hintergrund des Vorhabens
ist die wissenschaftliche Grundlagenforschung selbst. Experten entdeckten auf
den dicken Asphaltschichten an der Saudi-arabischen Golfküste, die sich nach
der Zerstörung kuwaitischer Ölförderanlagen im Jahr 1991 gebildet hatten, Ansiedlungen
von Bakterienmatten. Man hatte den Eindruck, dass in der Nähe dieser großflächigen
und dichten Matten die Ölverschmutzung schnell verschwand. Heute wissen die
Forscher, dass solche komplexen Gebilde aus Mikroorganismen, mit Cyanobakterien
an der Oberfläche, in der Lage sind, bestimmte Bestandteile des Öls aufzubrechen
und abzubauen. Allein, die Matten zeigen eine hohe Artenvielfalt und eine nicht
vollständig verstandene starke Veränderlichkeit. So haben es sich die Wissenschaftler
zum Thema gemacht, den Aufbau von Cyanobakterienmatten und die beim Abbau von
Schadstoffen ablaufenden Reaktionen zu ergründen. In dem nahe der Stadt Gaza
gelegenen Wadi Gaza und in der Außenstelle der Universität Jerusalem in Elat
wurden Experimentierbecken zur Kultivierung von Bakterienmatten angelegt. Die
kreisrunden Becken sind wie eine Torte in mehrere Stücke unterteilt, die gezielt
mit verschiedenen Schadstoffen versetzt werden. In Gaza konzentriert man sich
auf den Abbau von einzelnen Ölbestandteilen und Pflanzenschutzmitteln, die in
großen Mengen über ungeklärte Abwässer der Region ins Meer gelangen. Die Jerusalemer
Forscher hingegen führen ihrer Bakterientorte systematisch unterschiedliche
Erdöle zu. Probenmaterial aus den Bakterienmatten in Gaza gelangt dann zur Analyse
nach Deutschland. Es war geplant, dass auch die Forscher am palästinensischen
EPRI eigenständig Analysen durchführen. Doch bereits das Beschaffen von Proben
aus dem Wadi Gaza hat sich durch die vielen Straßensperren zu einem kühnen Unterfangen
entwickelt. Selbst wenn die Aktion glückt, scheitert die Arbeit zu oft an der
mangelnden Laborausrüstung, da mit der Abriegelung der palästinensischen Gebiete
schon seit mehr als einem Jahr keine Lieferung aus Israel eingetroffen ist.
Manchmal gelingt es einem europäischen Besucher, Kleinteile im Reisegepäck verborgen
nach Gaza zu bringen. Dann reicht es gerade für Vorarbeiten. Noch seltener kommen
derzeit Proben aus dem Wadi Gaza in Deutschland an. Gut, dass am ICBM noch Material
aus friedlicheren Tagen auf Eis liegt. Aus der Not wurde sogar eine Tugend:
Die Bremer und Oldenburger Wissenschaftler haben es geschafft, aus den Gazaproben
Bakterienmatten im Aquarium zu züchten. Im Endspurt werden jetzt weitere Matten
im Labor aufgepäppelt und letzte biologische und chemische Untersuchungen durchgeführt.
Die gemeinsam erzielten und zum Teil bereits veröffentlichten Ergebnisse werden
im nächsten Sommer gebündelt und in einem Forschungsbericht der DFG vorgelegt.
Eines kann dabei schon heute vorweg genommen werden: Obwohl die angespannte
Lage die Arbeit zunehmend erschwert hat und die politische Lösung fern scheint,
der wissenschaftliche Dialog wird erfolgreich fortgeführt. Die Forschergruppe
ist eines der wenigen Gremien, in dem sich Israelis und Palästinenser noch die
Hand reichen – nur eben in Oldenburg.
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