Biogeochemie eröffnet Klimaforschungsstation ZOTTO
October 1, 2006 by admin
In der sibirischen Taiga eröffnen Wissenschaftler des Jenaer Max-Planck-Instituts für Biogeochemie heute die internationale Klimaforschungsstation ZOTTO (“Zotino Tall Tower Observation Facility”). Dort untersuchen sie nun gemeinsam mit Kollegen des russischen Sukachev Forstinstituts in Krasnoyarsk und des Max-Planck-Instituts für Chemie in Mainz, wie sich die steigenden Erdtemperaturen und die Treibhausgase gegenseitig beeinflussen. Ein 300 Meter hoher Messturm ermöglicht es den Wissenschaftlern, die Treibhausgas-Konzentration sowohl lokal als auch über weiträumigen Gebieten zu bestimmen. Die sibirischen Wälder bilden eine wichtige Senke im globalen Kohlenstoffkreislauf: Insgesamt speichern sie etwa zehn Prozent des weltweiten Kohlenstoffs.
Abb.: Geographische Lage von ZOTTO: Die Messstation in der sibirischen Taiga liegt etwa 500 km nordwestlich von Krasnoyarsk, der nächstgelegenen größeren Stadt.
Bild: Max-Planck-Institut für Biogeochemie, Jena
Die Ursache des Klimawandels ist umstritten – doch der Mensch dürfte wesentlich für die Erderwärmung verantwortlich sein. Er setzt durch Nutzung fossiler Energieträger und durch intensive Landwirtschaft große Mengen der Treibhausgase Kohlendioxid, Methan und Lachgas frei. Doch bislang fehlen zuverlässige Untersuchungen über die langfristige Entwicklung der Treibhausgase in großflächigen Gebieten. Wie sich die steigenden Temperaturen etwa auf den globalen Kohlenstoffkreislauf auswirken und damit den Klimawandel verstärken, ist deshalb heute noch nicht abzusehen.
Genau diese Wechselwirkungen untersuchen zukünftig die Wissenschaftler aus den Max-Planck-Instituten für Biogeochemie und Chemie sowie des russischen Sukachev Forstinstituts mit der “Zotino Tall Tower Observation Facility” (ZOTTO). Die Forschungsstation liegt abgeschieden in der sibirischen Taiga nahe dem Ort Zotino – in einer Region, die der Mensch zunehmend beeinflusst, etwa durch Waldrodungen. Angrenzende Städte, deren Treibhausgas-Emissionen die Messungen verzerren könnten, gibt es dort aber nicht.
Die borealen und arktischen Landmassen Sibiriens gelten als “Hotspot” im globalen Kohlenstoffkreislauf: In den sibirischen Nadelwäldern binden etwa zehn Prozent des weltweiten Kohlenstoffs. Allerdings stiegen in den vergangenen Jahrzehnten die durchschnittlichen Sommertemperaturen großer Gebiete Sibiriens um bis zu zwei Grad Celsius – und Klimasimulationen prognostizieren eine weitere Zunahme. Meteorologen rechnen damit, dass diese Erderwärmung den sibirischen Kohlenstoffkreislauf allmählich verändert. Zotino eignet sich deshalb besonders gut, um Wechselwirkungen zwischen Treibhausgasen und Erderwärmung zu untersuchen.
Mit dem 300 Meter hohen Messturm – dies entspricht der Höhe des Eiffelturms ohne Antenne – stoßen die Max-Planck-Wissenschaftler dabei in eine neue Sphäre der Erdatmosphäre vor: die “Mixed Layer”, eine Luftschicht in etwa 200 bis 2000 Metern Höhe. “Dort können wir großräumige Änderungen von Treibhausgasen erfassen und ihren Austausch nahe der Erdoberfläche beobachten”, sagt Ernst-Detlef Schulze, Direktor am Max-Planck-Institut für Biogeochemie, der den Bau von ZOTTO in den vergangenen Jahren geleitet hat.
Die Höhe des Turmes ermöglicht es den Forschern, verlässlichere Klimadaten zu erheben. Denn die relativ homogene Luftschicht der Mixed Layer blendet das Hintergrundrauschen der Bodenvegetation aus: Dort variiert die Kohlendioxid-Konzentration wegen stark ausgeprägter Tag-Nacht-Zyklen der pflanzlichen Photosynthese. Die verschiedenen Prozesse sind dann nur relativ schwer voneinander trennen. Ein weiterer Vorteil hoher Türme: Sie erlauben Messungen im vertikalen Profil über die Turmhöhe.
Mit ZOTTO können die Wissenschaftler also sowohl weiträumige als auch lokale Austauschprozesse zwischen dem Ökosystem Sibiriens und der Atmosphäre erforschen. Damit schließt die Station eine Skalierungslücke im kontinentalen Messsystem. Bislang basierten Untersuchungen allein auf lokal eng begrenzten Prozessstudien oder Fernerkundungen mit Weltraumsatelliten.
Neben meteorologischen Parametern, etwa Wind und Feuchtigkeit, misst ZOTTO vor allem die Konzentrationen und Mischungsverhältnisse der verschiedenen Treibhausgase. Mit kurzfristigen Ergebnissen rechnen die Wissenschaftler allerdings nicht. Denn das kontinentale Klima Sibiriens unterliegt starken Temperaturschwankungen. Um die langfristigen Wechselwirkungen zwischen Erderwärmung und Treibhausgasen zuverlässig darzustellen, müssen die Forscher deshalb Daten über viele Jahre hinweg erheben.
Bereits seit 1993 arbeitet der Max-Planck-Wissenschaftler Schulze in Sibirien – mit den Planungen für den Bau einer festen Forschungsstation haben er und seine Kollegen 1999 begonnen. Die abgeschiedene Lage von ZOTTO stellte die Forscher vor besondere logistische Herausforderungen. Dabei profitierten sie von der engen Zusammenarbeit mit dem Institut für Forstwissenschaften der Russischen Akademie der Wissenschaften. Die Max-Planck-Gesellschaft hat die Errichtung der Station, die der Wissenschaft in den kommenden 30 Jahren als Langzeit-Observatorium dient, mit etwa 1,7 Millionen Euro finanziert.
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