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Erstmals gemessen: die Reibung zwischen einzelnen Atomen

September 4, 2002 by  

Augsburger Physiker ermöglichen mit neuartiger Frequenzmodulations-Lateralkraftmikroskopie
Einblick in die atomare Natur der Reibung — Wissenschaftlern am Augsburger
Lehrstuhl für Experimentalphysik VI/Elektronische Korrelationen und Magnetismus
(Prof. Dr. Jochen Mannhart) ist es gelungen, erstmals die Reibung zwischen einzelnen
Atomen zu messen. Priv. Doz. Dr. Franz Gießibl und Kollegen berichten über diesen
wissenschaftlichen Erfolg im Artikel Nr. 1605 der aktuellen Ausgabe der US-amerikanischen
Zeitschrift “Proceedings of the National Academy of Sciences” (PNAS)*. Mit der
neuen rasterkraftmikroskopischen Technik kann künftig nicht nur die Reibung
detaillierter studiert werden; vielmehr eröffnet sich hier auch ein Weg zu einem
besseren, insbesondere für die Nanotechnologie wichtigen Verständnis der Bindungsverhältnisse
von Oberflächenatomen

Reibung ist ein Alltagsphänomen: Schiebt man einen Stuhl über
den Fußboden, muss man dazu Energie aufwenden. Auf mikroskopischer Skala betrachtet
ist dies ein großes Rätsel, denn die Kräfte zwischen den Bestandteilen des Stuhls
und des Fußbodens, zwischen den einzelnen Atomen also, sind konservativ. “Konservativ”
bedeutet in diesem Zusammenhang, dass man die Energie, die man aufwenden muss,
wenn man zwei aneinander gebundene Atome auseinander zieht, zurück bekommt,
wenn man deren Abstand wieder verringert. Auf die Welt im Großen übertragen
würde das heißen, dass man den Stuhl zuerst zwar anschieben muss, um ihn zu
verschieben, dass er dann aber, wenn er einmal angeschoben ist, eigentlich ungebremst
weiterrutschen müsste. ATOMARE REIBUNG: 1929 ERSTMALS BESCHRIEBEN … Weshalb
dies nicht so ist – den Mechanismus also, aus dem sich atomare Reibung ergibt
– hat G. A. Tomlinson bereits im Jahr 1929 beschrieben, und zwar als das “gegenseitige
Anzupfen einzelner Oberflächenatome”, wenn diese durch laterale Kräfte ausgelenkt
werden und wieder in ihre Ruhelagen “zurückschnalzen”.

Reibung ist dabei entstehende
Energiedissipation: der durch die Umwandlung der aufgewandten Energie in Wärme
verursachte Verlust an mechanisch nutzbarer Energie. Diesen Mechanismus kann
man in der Makrowelt nachbilden: Spannt man die Saite einer Gitarre, so muss
man dazu über die Wegstrecke der Saitenauslenkung eine Kraft ausüben und damit
Energie aufwenden. Wenn man die Saite langsam zurückbewegt, bleibt die gespeicherte
Energie mechanisch nutzbar – man könnte zum Beispiel ein Gewicht damit hochheben.
Falls die Saite beim Spannen aber entwischt, ist die aufgewandte Energie nicht
mehr mechanisch nutzbar – sie wird als Schall abgestrahlt und letztlich in Wärme
verwandelt. … UND 2002 ERSTMALS EXPERIMENTELL NACHGEWIESEN UND GEMESSEN Die
Messungen der Augsburger Physiker sind nun der erste experimentelle Nachweis
dieses vor gut 70 Jahren erstmals beschriebenen Mechanismus, der atomare Reibung
verursacht. Mit Experimenten an einem neuartigen Rasterkraftmikroskop ist es
Gießibl und Kollegen gelungen zu zeigen, dass der Energieverlust und damit die
Reibung dann auftritt, wenn zwei Atome so weit auseinandergezogen werden, dass
deren maximale Haftkraft überschritten wird. Die Atome “schnalzen” dann in ihre
Ausgangslage zurück, wo sie mit einer Frequenz von Tera-Hertz (1 000 000 000
000 Schwingungen pro Sekunde) oszillieren und die gespeicherte Energie in Form
von Wärme an ihre Umgebung abgeben. Dieser “Tomlinson”-Mechanismus ist der wesentliche
für Reibung verantwortliche Effekt. Daneben gibt es noch kleinere Beiträge zur
Reibungskraft, z. B. elektronische Effekte. FREQUENZMODULATIONS-LATERALKRAFTMIKROSKOPIE
Um die Reibungskraft zwischen einer Wolframspitze und einer Siliziumoberfläche
zu messen, benutzten die Augsburger Physiker die Frequenzmodulations-Lateralkraftmikroskopie,
eine spezielle Variante der Rasterkraftmikroskopie. Die Rasterkraftmikroskopie
nutzt stets einen empfindlichen Federbalken mit einer atomar scharfen Spitze,
um die Kräfte zwischen dem Spitzenatom und einer Oberfläche zu messen. Bei der
Frequenzmodulations-Lateralkraftmikroskopie wird die Spitze, die mit konstanter
Amplitude parallel zu einer Oberfläche schwingt, über diese Oberfläche gerastert.
Der Reibungsverlust zwischen Spitzen- und Probenatom entspricht der einfach
zu messenden Energie, die zur Aufrechterhaltung einer konstanten Amplitude nötig
ist. ZUR ILLUSTRATION: Der Elementarprozess der Reibung wird mit einem neuartigen
Rasterkraftmikroskop studiert. Eine scharfe Spitze, die mit konstanter Amplitude
parallel zu einer Siliziumoberfläche schwingt, wird über eine Oberfläche gerastert.
Weil die Spitze an den Umkehrpunkten die höchste Aufenthaltswahrscheinlichkeit
aufweist, erscheint jedes Atom als Doppelhöcker. Die zur Aufrechterhaltung einer
konstanten Amplitude nötige Energie kann einfach gemessen werden und entspricht
dem Reibungsverlust zwischen Spitzen- und Probenatom.

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