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“Deutsche Politik ist Innovationsbremse”

June 9, 2002 by  

Wissenschaft muss internationaler werden. Das fordern 104 preisgekrönte Forscher in einer Emnid-Studie. Auf das Internet könnten viele offenbar verzichten: Nur acht Prozent der Befragten halten elektronische Kommunikation für wichtig auf dem Weg zu einer globalen Wissenschaft.
Im Auftrag der Philip-Morris-Stiftung hat das Bielefelder TNS Emnid-Institut insgesamt 104 Preisträger des Philip-Morris-Forschungspreises zum Innovationspotenzial Deutschlands befragt. Der Standort Deutschland kommt bei den Forschern schlecht weg: Sie beklagen eine unzureichende Nachwuchsförderung im Wissenschaftsbereich, umfassende Mittelkürzungen und ein Desinteresse der Politik an den Themen und Leistungen der Wissenschaftler.

Mehr als die Hälfte der Befragten hält die deutsche Politik für eine Innovations-Bremse.

Als leuchtendes Beispiel führen knapp zwei Drittel der Befragten die USA an: Dort seien die Universitäten effektiver organisiert und technisch besser ausgestattet. Die Wissenschaftler erhielten eine qualifiziertere Ausbildung, der Verwaltungsaufwand sei deutlich niedriger.

Ein Grund für diesen Erfolg sei vor allem die US-Mentalität, die von Risikobereitschaft und Offenheit gegenüber wissenschaftlichen Themen geprägt sei und daher immer wieder hervorragende deutsche Forscher ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten ziehe: Die deutschen Nobel-Preisträger Herbert Kroemer, Horst Störmer, Wolfgang Ketterle und Günter Blobel leben und arbeiten allesamt in den USA.

Persönlicher Kontakt wichtiger als das Internet

Trotz der Kritik an Deutschland schätzen die Forscher die Chancen für den Nachwuchs als gut bis sehr gut ein. Um sie noch zu verbessern, schlagen sie kleinere Schulklassen, eine vorgezogene Einschulung und den früheren Kontakt mit naturwissenschaftlichen Themen vor. Die Universitäten müssten besser ausgestattet werden, außerdem plädieren die Interviewten für Aufnahmeprüfungen sowie für stärkere Leistungskontrollen im Studium.
Bei der Kritik kommen auch die Professoren nicht ungeschoren davon: Das Beamtentum an den Hochschulen müsse unbedingt abgeschafft werden, Hochschullehrer müssten leistungs- und erfolgsorientiert bezahlt werden.

Um das öffentliche Interesse an Wissenschaftsthemen zu erhöhen, müsse sich die Forschung weiter öffnen, vor allem mit Hilfe der Medien. Unerlässlich sei, so die Selbstkritik der Preisträger, eine verständliche Sprache: “Nicht der Mann auf der Straße ist dumm, sondern der Professor unfähig sich auszudrücken”, so einer der Befragten. Transparenz sei zudem nötig, um die Nutzung von Steuergeldern nachvollziehbar zu machen. Weil die Kassen leer seien, müssten sich Nachwuchswissenschaftler auch der Wirtschaft öffnen, die mit Drittmitteln die Forschung förderten.

Überraschend klar ist die Absage der Forscher an moderne Kommunikationstechnologien: Nur acht Prozent der Interviewten ist der Ansicht, dass das Internet die Internationalisierung der Wissenschaft beschleunigt. Den direkten persönlichen Kontakt halten sie für weit wichtiger – trotz E-Mails, Newsrooms und weltweiter Vernetzung.

Beitrag: UNISPIEGEL. www..spiegel.de

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